Denkmale

Wohnen im Denkmal

Wohnen als Spiegel unserer Lebensverhältnisse

Seit der Sesshaftwerdung gibt es bauliche Zeugnisse für Wohnformen. Ob es sich um die regional sehr unterschiedlichen Einhäuser (z.B. Titisee-Neustadt, Langenordnach 27) handelt, in denen Mensch und Tier unter einem Dach lebten, um ein spätmittelalterliches Fachwerkhaus (z.B. Bad Mergentheim, Ochsengasse 13), oder um verdichtetes Wohnen in Terrassenhäusern der 1970er Jahre (z.B. Waiblingen-Neustadt, Trollingerweg). Diese Wohnhäuser stehen stellvertretend für die Kulturdenkmale im Land, an denen ein öffentliches Interesse besteht, sei es aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen.

Wohnraum ist knapp

Eine der wichtigen Aufgaben, die von der Denkmalpflege erfüllt wird, ist die Unterstützung bei der Reaktivierung von Denkmalen mit langem Leerstand oder auch die Umnutzung von Wirtschaftsgebäuden zu attraktivem Wohnraum. Denkmalschutz ist auch Klimaschutz durch nachhaltige Ausbau-, Umbau- und Sanierungskonzepte, die gemeinsam von erfahrenen Planern und Handwerkern, den Denkmaleigentümern und der Denkmalpflege entwickelt werden.

Wohnen im Denkmal

Im Folgenden finden Sie eine breitgefächerte Sammlung von Denkmaltypen. Wohnen im Denkmal bietet ein hohes Maß an Individualität. Die Denkmaleigentümer sind sich meist bewusst, in Besitz eines Unikats zu sein, wenn auch bei der Sanierung meist etwas Geduld gefordert ist. An der Weitergabe des baukulturellen Erbes beteiligt zu sein, erfüllt viele mit Stolz und Respekt.

Förderung des Erhaltungsprozesses

Das Land Baden-Württemberg unterstützt Eigentümer beim Erhalt ihres Denkmals durch kostenfreie Beratung der Referenten des Landesamtes für Denkmalpflege, zudem stellt es Gutachtermittel zur Grundlagenermittlung zur Verfügung. Lukrativ ist auch die steuerliche Abschreibung für Maßnahmen, die dem Erhalt und Nutzen des Denkmals dienen. Zusätzlich stellt das Land in jedem Förderjahr Mittel zum Erhalt der denkmalrelevanten Bestandteile eines Denkmals zur Verfügung. Sogenannte Drittmittel werden von der Denkmalstiftung Baden-Württemberg und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz für Maßnahmen an Kulturdenkmalen vergeben. Bei Kulturdenkmalen von überregionalen Bedeutung können auch beim Bund Fördermittel beantragt werden.


Das „Zipfelhäusle“ in Titisee-Neustadt-Langenordnach im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald

Vom Abbruchkandidat zum Vorzeigeobjekt eines Schwarzwaldhauses

Im Hochschwarzwald in Titisee-Neustadt im Ortsteil Langenordnach steht das 1783 errichtete „Zipfelhäusle“ im Stil eines Schwarzwaldhauses. Für das kleine, zum Nordhang senkrecht stehende Haus begeisterten sich die Enkelin der ursprünglichen Eigentümer und ihr Partner. 2015 bewahrten sie es damit vor dem Abbruch.

Der bau-, wirtschafts- und sozialgeschichtliche Wert begründen den Denkmalstatus

Über einem massiven Untergeschoss fügt sich der zweigeschossige Ständerbohlenbau mit Schindelverkleidung. Das Krüppelwalmdach mit einem großen Überstand an der Traufseite und weit heruntergezogenen Walm trotzt den Schnee- und Windlasten, denen es ausgesetzt ist, und ist typisch für das Schwarzwaldhaus. Im Innern sind Wohnung und Scheune unter einem Dach. Das „Zipfelhäusle“ zeigt anschaulich seine ursprüngliche Funktion als Uhrmacherhaus mit gut belichtetem Werkstattraum und kleinem Stall zur Selbstversorgung. Die im Langenordnachtal hergestellten Uhren verkauften sich bis nach England und so war die Uhrmacherei hier von hoher wirtschaftlicher und sozialgeschichtlicher Bedeutung.

Eingehende Voruntersuchung und ein Befund, der das Sanierungskonzept änderte

Die Instandsetzung war solide vorbereitet. Eine historische Untersuchung sowie eine Schadensanalyse bildeten die Grundlage für die Entwicklung und Abstimmung eines zurückhaltenden Konzeptes, das sich am historischen Bestand orientierte. Das vorsichtige Dämmkonzept sah eine Innendämmung des Wohnbereiches vor. Im Laufe der Bauarbeiten stellte sich jedoch heraus, dass zwischen der Bohlenwand und der Schindeldeckung eine Bitumenbahn lag. Diese Tatsache machte die Innendämmung nicht möglich, denn sie hätte die Schädigung des Holzwerks zur Folge gehabt. Auch die Schindeldeckung stellte sich als wesentlich jünger als angenommen heraus. Somit konnte die Wand außen gedämmt und eine neue Schindeldeckung aufgebracht werden. Die Ergänzung des bauhistorischen Gutachtens ergab eine ursprüngliche Reihenbefensterung sowohl in der Wohnstube als auch in dem benachbarten ehemaligen Werkstattraum. Diese wurde wiederhergestellt. Die Bohlenkonstruktion konnte nun im Innern gezeigt werden.

Ein rundum zufriedenstellendes Ergebnis

Die Enkelin, die mit ihrer Familie das „Zipfelhäusle“ seit 2020 bewohnt, und das Erbe ihrer Großeltern weiterführt, hat sich in der Bauzeit flexibel gezeigt und auch bei unvorhergesehenen Befunden eine konstruktive, denkmalverträgliche Lösung mit allen Beteiligten gesucht.

Finanzielle Unterstützung erhielten die Bauherren durch einen Zuschuss aus dem Denkmalförderprogramm Baden-Württemberg und Fördermittel des Landesentwicklungsprogramms Ländlicher Raum Baden-Württemberg.


Eine Tabakscheune in Bretten-Neibsheim im Landkreis Karlsruhe

Imposante Tabakscheune als Zeugnis des Tabakanbaus in den 1940er Jahren

1940/41 wurde in Neibsheim eine langstreckte Scheune zum Trocknen des Tabaks gebaut. Die Scheune bot viel Raum und Luft, über vier Stockwerke wurden die Tabakblätter auf sogenannte Bandelier zum Trocknen aufgefädelt. Die Holzskelettbauweise war offen, Laufbohlen ermöglichten den Bauern ihre Arbeit mit den Tabakblättern.

Leerstand und Unterschutzstellung

Bereits 1967 wurde die Tabakscheune nicht mehr zum Tabak Trocknen genutzt. Scheinbar diente sie kurzfristig der Geflügelhaltung, was ihr den Abriss vorerst ersparte. Dem Funktionsbau mit den zur Belüftung charakteristischen Lamellen an der Außenhaut, seinem Zwerchhaus und seiner Großräumigkeit ist technikgeschichtlich eine besondere Bedeutung zuzuweisen. Auch heimatgeschichtlich ist sie ein wichtiges Zeugnis, da der Tabakanbau mit seinen Scheunen die Landschaft in Baden prägte. Als ein Architekt das Objekt beim Radfahren entdeckte, inmitten von Weizenfeldern und Streuobstwiesen, lag die Abbruchgenehmigung schon vor.

Wohnboxen in die Tragkonstruktion eingehängt und das äußere Erscheinungsbild erhalten

Mit großer Sorgfalt bereitete der Architekt und nun Eigentümer das Vorhaben der Umnutzung in Wohnungen vor. Das Erscheinungsbild musste erhalten bleiben, die Holzlamellen waren jedoch schadstoffbelastet und durften durch bewegliche Lamellen ersetzt werden, mit denen der Lichteinfall gesteuert werden kann. Auch die markante Großräumigkeit sollte soweit als möglich erhalten bleiben, dies konnte am Besten im Erdgeschoss umgesetzt werden. Es birgt die Garage, Abstell-und Technikräume. Offene Treppen, Arbeitsbühnen und Laufbohlen blieben weitestgehend erhalten. Zum Wohnen wurden zwei Wohnungen nach dem Haus im Haus-Prinzip eingebaut. Die Kokons sind in einem Meter Abstand von der Außenhülle eingebaut, auch zur Dachhaut haben sie Abstand. Dadurch kann Luft um sie zirkulieren. Um wenigstens partiell freie Sicht und einen Austritt zu ermöglichen, wurden an beiden Längsseiten jeweils zwei Balkone genehmigt.

Der Einsatz wurde belohnt

Die Maßnahme erhielt einen Zuschuss aus dem Denkmalförderprogramm des Landes Baden-Württemberg. Die vorbildliche denkmalgerechte Planung und Ausführung der Tabakscheune zum Wohnhaus wurde 2010 mit dem Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg gewürdigt. 2014 erhielt das Sanierungsobjekt von der Architektenkammer Baden-Württemberg den Preis für beispielhaftes Bauen.


Ein Ackerbürgerhaus in Bad Mergentheim im Main-Tauber-Kreis

Verborgener Denkmalwert

Das Haus in der Bad Mergentheimer Innenstadt kennzeichneten ein langer Leerstand und eine marode Bausubstanz. Das Alter des Denkmals war ungewiss. Aus Gutachtermitteln wurden unter anderem ein Raumbuch und eine Alterskartierung erstellt. Das Haus wurde vermutlich nach dem Stadtbrand um 1450 zunächst als Werkstatt- und Lagergebäude erstellt und dann später als Wohnhaus umgenutzt.

Arbeiten und Wohnen unter einem Dach

2012 dann entschied sich ein Architekt, das Fachwerkhaus zu erwerben, um im Erdgeschoss sein Architekturbüro unterzubringen, es gab auch die Möglichkeit nach hinten im Hof ein Nebengebäude zu nutzen. Auf Grundlage der Bau- und Schadenskartierung konnte das mittelalterliche Hausgerüst in Zimmermannstechnik saniert werden. Zunächst wollte der Bauherr die Stockwerke durch eine additive Außentreppe erschließen. Je länger der Eigentümer sich mit seinem Objekt beschäftigte, desto mehr wuchs seine Wertschätzung der historischen Substanz. Während des Bauablaufs entschied er sich schließlich, doch die vorhandene Spindeltreppe ins obere Stockwerk selbst aufzuarbeiten. Der Anspruch an Belichtung war früher geringer, zumal Fenster auch sehr teuer waren. In diesem Haus wurde eine innovative Lösung für eine großzügige Dachbelichtung gefunden. Es wurden auf dem Dach langgestreckte Fensterbänder eingebaut, die sich nach außen öffnen und den Lichteinfall mittels Lamellen regulierbar machen.

Würdigung von Mut und Liebe zur historischen Substanz

Der Bauherr erhielt Sanierungsmittel der Stadt Bad Mergentheim.

Zudem wurde das Ackerbürgerhaus mit dem Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet, der vom Schwäbischen Heimatbund und dem Landesverein Badische Heimat ausgelobt wird.


Die Terrassenhäuser „Im Schneider“ in Waiblingen-Neustadt im Rems-Murr-Kreis

Große Individualität trotz Verdichtung

In den 1960-70er Jahren erlebte das Terrassenhaus einen Boom. Dem folgte auch 1971-72 das renommierte Stuttgarter Architekturbüro Kammerer + Belz mit seinem Entwurf für 34 Terrassenhäuser und neun halbversetzte Reihenhäuser in Waiblingen-Neustadt. Die Ursprungsidee der Terrassenhäuser war gehobenes Wohnen mit großzügig gestalteten Wohnungsgrundrissen, ein hohes Maß an Privatsphäre durch mitgeplante Bepflanzung und differenzierte Wohnungseingänge, bei einer optimierten Verdichtung. 2011 wurden die Terrassenhäuser und die Reihenhäuser in Waiblingen-Neustadt aus architektur- und siedlungsbaugeschichtlichen Gründen unter Schutz gestellt.

Außenwirkung

Die Siedlung „Im Schneider“ erfreut sich mit ihrer Südhanglage großer Beliebtheit. Verkleidet sind die Häuser mit schwarzen Eternitplatten, die in den 1970er Jahren sehr chic waren, gepaart mit Sichtbetonbauteilen und weißen Fenstern. Die Wertschätzung der Anlage spiegelt sich auch in der Aussage eines Bewohners, er sei in die Siedlung gezogen nicht obwohl, sondern weil sie unter Denkmalschutz stehe.

Leitlinien im Vorfeld der kommenden Renovierungen

Aufgrund ihres Alters nimmt die Zahl der Renovierungen in den Terrassen- und Reihenhäusern zu. Daher hat das Landesamt für Denkmalpflege Leitlinien entwickelt, die den Eigentümern zur Verfügung stehen. Dies soll dazu beitragen, dass die Siedlung in ihrem aussagekräftigen Bestand und Erscheinungsbild für kommende Generationen bewahrt wird.


Das „Götzhaus“ in Gunningen auf der Baar im Landkreis Tuttlingen

Anspruchsvolles Erbe

2002 erbte der junge Zimmermann das für diese Landschaft charakterisische Einhaus von seinem Großvater. Das sogenannte „Götzhaus“ ist quergeteilt in ein zweigeschossiges Wohnhaus, Stall und Scheune sowie traufseitig erschlossen. Das Paar hatte schon einen Bauplatz gekauft, den es zugunsten des Götzhauses aufgab. Anfänglich plante es enorme Eingriffe in die Substanz wie Einschnitte und Ausbau der zwei Dachebenen.

Behutsame Annäherung an die Substanz

Nach dem Besuch auf der Baustelle des im Nachbarort stehenden Vogtsbauernhofes, der mit viel Rücksicht auf seine Aussagekraft saniert worden war, änderte sich die Blickweise des Paares auf ihren 1750 erstellten Bauernhof. Zunächst wurden denkmalerfahrene Handwerker und Restauratoren beauftragt und gemeinsam mit der Referentin vom Landesamt für Denkmalpflege ein denkmalverträgliches Sanierungskonzept entwickelt.

Die Sanierung kann sich sehen lassen

Die historische Raumfolge blieb erhalten, wie auch die Wand- und Deckentäfer. Ein ehemaliger Wohnraum wurde zum Badezimmer umgenutzt. Dabei blieben die Täfer erhalten, die notwendigen Installationen wurden vorgesetzt. Der sogenannte Herrgottswinkel (eine mit Kruzifix gestaltete Raumecke) wurde freigelegt. Der aus den 1950ern stammende Terrazzoboden wurde aufgearbeitet. Das mächtige zweigeschossige Dach blieb unverändert. Stall und Scheune bergen heute ein Ladenlokal für Pferd und Reiter von der Hauseigentümerin.

Finanzielle Unterstützung

Drei Jahre dauerte die Sanierung mit Hilfe der Großfamilie und viel Eigenleistung. Finanzielle Unterstützung erhielten die Bauherren durch die Förderung aus Mitteln des Landes und der Denkmalstiftung Baden-Württemberg. Zudem wurde der Hof 2008 mit dem Denkmalschutzpreis des schwäbischen Heimatbundes und des Landesvereins der badischen Heimat ausgezeichnet.

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