Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb
Caves and Ice Age Art in the Swabian Jura
Das Welterbekomitee der UNESCO hat am 9. Juli 2017 während seiner 41. Sitzung in Krakau (Polen) entschieden, die "Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb" in die Welterbeliste einzutragen.
Der Weg zum UNESCO-Welterbe
Zwischen 2012 und 2017 wurde beim Landesamt für Denkmalpflege die Welterbe-Nominierung mit dem Titel "Höhlen der ältesten Eiszeitkunst" (engl "Caves with the oldest Ice Age art") erarbeitet. Der Antrag wurde von einer eigenen Arbeitsgruppe nach den Richtlinien der UNESCO erstellt. Die Arbeitsgruppe, die auch nach der Einschreibung das Welterbemanagement übernimmt, besteht aus drei Wissenschaftlern mit Schwerpunkt in der Eiszeitforschung und der Archäologie von Jägern und Sammlern sowie einem auf paläolithische Feldforschung spezialisierten Grabungstechniker.
Die älteste mobile Kunst der Menschheit kommt von der Schwäbischen Alb
Als sich anatomisch moderne Menschen (Homo sapiens) vor mehr als 40.000 Jahren nach Europa ausbreiteten, hinterließen sie Artefakte einer materiellen Kultur, die wir heute - nach einem französischen Fundort benannt - als "Aurignacien" bezeichnen. Teil dieses Technokomplexes sind neben Steinartefakten und Geräten aus Knochen und Elfenbein auch Kunst- und Schmuckobjekte. Eine herausragende Rolle in diesem menschheitsgeschichtlich bedeutenden Prozess spielen Höhlenfundstellen der Schwäbischen Alb, denn hier wurden in archäologischen Ausgrabungen, die bereits im 19. Jahrhundert begannen und bis heute fortgeführt werden, die weltweit ältesten Belege mobiler figürlicher Kunst entdeckt. Zudem fanden Archäologen die ältesten direkten Nachweise für Musik. Bislang sind über 50 figürliche Kunstobjekte und acht Flöten bekannt, die meist aus Elfenbein aber auch aus Knochen gearbeitet worden sind. Die Fundschichten, aus denen diese Funde stammen, konnten auf ein Alter von 32.000 bis 43.000 Jahre vor heute datiert werden.
Tiere, Menschen, Mischwesen ...
Die meisten der bislang gefundenen Kunstobjekte bilden die Fauna der eiszeitlichen Landschaft einer Steppentundra ab - Mammut, Wisent, Pferd, Höhlenlöwe oder Höhlenbär. Doch neben dieser Megafauna gibt es auch Darstellungen kleinerer Tiere - ein Wasservogel, ein Fisch und wahrscheinlich ein Igel. Etwas Besonderes sind Darstellungen von Menschen sowie Mischwesen von Mensch und Tier. Weltbekannt sind die Venus vom Hohle Fels, die die älteste Frauendarstellung ihrer Art ist, sowie der Löwenmensch vom Hohlenstein Stadel, ein aufrecht stehendes Mischwesen aus Mensch und Löwe. Weitere anthropomorphe Figuren stammen aus dem Geißenklösterle, dem Hohle Fels und dem Vogelherd.
... und dazu Musik
Vervollständigt wird dieses besondere Ensemble eiszeitlicher Kunst mit dem Fund von acht Flöten. Sie sind der direkte Nachweis, dass die eiszeitlichen Jäger und Sammler des Aurignacien nicht nur mobile Kunst herstellten, sondern bereits auch Musik machten.
Sechs Höhlen in einer einzigartigen Fundlandschaft
Die genannten Fundobjekte stammen allesamt aus Höhlenfundstellen in zwei Tälern der Schwäbischen Alb – dem Achtal etwa 15 km westlich von Ulm und dem Lonetal etwa 20 km nordöstlich von Ulm. Hier liegen die Fundstellen Geißenklösterle, Hohle Fels und Sirgensteinhöhle (Achtal) sowie Vogelherdhöhle, Hohlenstein Stadel-Höhle und Bocksteinhöhle mit dem Bocksteintörle (Lonetal). In all diesen Höhlen konnten durch archäologische Ausgrabungen Schichten des Aurignacien mit Schmuck- und Kunstobjekten freigelegt werden. Damit stellen die entsprechenden Talabschnitte der Flüsse Ach und Lone einzigartige Fundlandschaften des Aurignacien mit einer weltweit singulären Konzentration von Fundplätzen dar. Das Auftreten der ältesten Kunst und Musik in mehreren Fundstellen innerhalb einer Mikroregion verdeutlicht die Bedeutung von Ach- und Lonetal als zentrale Siedlungsareale der frühesten modernen Menschen in Europa.
Besonderer Schutz für ein besonderes Kulturerbe
Die Welterbestätte „Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“ genießt als außergewöhnliches Kulturdenkmal auch einen besonderen Schutz nach dem baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz. Während die Höhlen selbst als „Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung“ in das Denkmalbuch eingetragen sind, wurden die in den Tälern liegenden Flächen um die Höhlen großräumig als Grabungsschutzgebiete ausgewiesen. Dies garantiert den höchst möglichen denkmalschutzrechtlichen Schutz, der einem Welterbe gerecht wird. Einer Beeinträchtigung des Kulturerbes wird vorgebeugt und die Erhaltung der einzigartigen Höhlenfundstellen mitsamt ihrer landschaftlichen Umgebung ist somit gesichert.
Kurzübersicht wichtiger Ereignisse im Welterbeverfahren
April 2009 | Interessensvertreter beschließen Nominierung zum Weltkulturerbe |
Februar 2012 | Beginn der Arbeiten am Welterbeantrag im LAD |
Dezember 2012 | Einreichung des Tentativlistenvorschlags bei der Kultusministerkonferenz |
Februar 2014 | Begutachtung durch ein Expertenkomitee der Kultusministerkonferenz |
Juni 2014 | Die "Höhlen der ältesten Eiszeitkunst" werden auf Platz 1 der deutschen Tentativliste gesetzt |
September 2014 | Treffen aller Beteiligten mit Staatssekretär Ingo Rust MdL in Rammingen in der Nähe des Hohlensteins im Lonetal zur Abstimmung des weiteren Vorgehens |
Juni 2015 | Treffen der Beteiligten, Informationsveranstaltung in Ulm |
September 2015 | freiwillige Voreinreichung des Antrags beim World Heritage Centre |
Januar 2016 | Einreichung des endgültigen Antrags |
Juli 2017 | Entscheidung zur Einschreibung auf die Welterbeliste. |
UNESCO-Welterbe
Weitere Informationen und Links
Museen mit Fundstücken
Ansprechpersonen
Stellvertretender Leiter Fachgebiet Weltkulturerbe
Dienstsitz Tübingen
72072 Tübingen
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Referent Archäologisches Welterbe. Welterbemanagement "Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb"
Dienstsitz Tübingen
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