UNESCO-Welterbestätte Klosterinsel Reichenau - Erforschung St. Georg
Im Jahr 2000 erfolgte die Anerkennung der Insel Reichenau als UNESCO Welterbe. Damit erhielt auch St. Georg den ihm ohne Frage gebührenden Platz im Kreise der bedeutendsten Kulturdenkmale der Welt. Der frühmittelalterliche Bau mit seinem einzigartigen monumentalen Wandmalereibestand aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts gilt als hervorragendstes Denkmal einer ganzen Epoche.
Restaurierungsgeschichte
Im 14. Jahrhundert erfuhr der Wandmalereizyklus von St. Georg eine komplette Übermalung. Das bestehende Bildprogramm wurde dabei bis auf einige Details und formale Veränderungen übernommen. Eine Überarbeitung der Wandmalereien mit Neugestaltungen ist für das 17. und für das 18. Jahrhundert nachzuweisen. Mit einer Vergrößerung der Obergadenfenster 1787/88 erhielt die Kirche einen weißen Kalkanstrich. 1879 wurden die Wandmalereien wieder entdeckt und bis 1881 freigelegt.
Vier Jahrzehnte Forschung
Eine umfangreiche Untersuchung und Restaurierung der Wandmalereien fand im Rahmen eines von der Landesdenkmalpflege Baden-Württemberg geleiteten Pilotprojektes von 1982 – 1990 statt. Dem Restaurierungskonzept gingen in ihrer Methodik wegweisende Untersuchungen voraus. Die Dokumentation dieser Ergebnisse setzte seinerzeit Maßstäbe für die Denkmalpflege in Baden-Württemberg.
Ein von der Deutschen Bundesstiftung - Umwelt (DBU) gefördertes Forschungsprojekt
Ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) von 2015 bis 2017 gefördertes Projekt zur Raumklimastabilisierung und zum Erhalt der durch Umwelteinflüsse im Bestand gefährdeten Wandmalereien, ermöglichte es, die Forschungen der 1980er Jahre fortzuführen. Ein interdisziplinäres Team aus Denkmalpflege, Konservierungs-, Natur- und Ingenieurwissenschaften untersuchte die Gefährdungspotenziale für die Wandmalereieninfolge von Klimaschwankungen. Messungen zu den Belastungen durch Salze, mikrobiellen Befall und Staubpartikel erbrachten neue Erkenntnisse zu den Schadensmechanismen.
Pigmentuntersuchungen
An den Wandmalereien in St. Georg erfolgten naturwissenschaftliche Untersuchungen zur Identifizierung der verwendeten Pigmente sowie deren Veränderungen im Laufe der Jahrhunderte. Zum Schutz und Erhalt der außerordentlich wertvollen Ausmalung wurden vorerst mobile zerstörungsfreie Vor-Ort-Analysenmittels Röntgenfluoreszenz- und Ramanspektroskopie eingesetzt. Nur zur Klärung komplexer Fragestellungen erfolgten kleinste Probeentnahmen, um sowohl die mineralische als auch die genaue chemische Zusammensetzung des Materials unter Laborbedingungen zu analysieren. Die Interpretation der Ergebnisse in der Krypta führte im kunsthistorischen Kontext zu einer neuen Bewertung der ursprünglichen Farbgebung.
Klimamonitoring
Seit den 1980er Jahren wurden die Klimawerte in St. Georg durch die Landesdenkmalpflege aufgezeichnet. Zur Erfassung und Bewertung der sich im Jahresgang sowie in Abhängigkeit der Besucherintensität und der Sonnenwanderung einstellenden Klimate wurde ab 2011 ein neues Klima-Monitoringsystem installiert.
Staub in der Raumluft
Im durch Tourismus und Nutzung beanspruchten Gebäude stellt sich die Frage, ob potenzielle Schadstoffe, die sich nachteilig auf die Wandmalerei auswirken können, eingetragen werden. Neben dem Raumklima- Monitoring in Kirche und Krypta wurde daher zusätzlich ein Monitoring gasförmiger Verbindungen und partikelförmiger Substanzen (Feinstaub und abgelagerter Staub) durchgeführt. Ziel war es hierbei, den anthropogenen Schadstoffeintrag und das daraus resultierende Schädigungspotenzial zu evaluieren.
Mikrobiologie
Schimmelpilze sowie andere Mikroorganismen traten immer wieder in St. Georg auf. Wann sie zum ersten Mal erschienen, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Seit der intensiveren Nutzung der Kirche durch den verstärkten Tourismus, hat sich das Klima in der Kirche so verändert, dass Schimmelpilze und andere Mikroorganismen dort schneller und massiver wachsen können. Seit Einführung der Besucherlenkung und der Klimaverbesserung im Zuge des DBU Forschungsprojekts geht die Aktivität der Schimmelpilze und anderer Mikroorganismen deutlich zurück.
Salzuntersuchungen
Im Vorfeld der Umsetzung von Maßnahmen zur Raumluftverbesserung mittels einer kontrollierten Raumbelüftung und Raumtemperierung in der Krypta, musste eine sorgfältige Analyse der im Mauerwerk befindlichen Salze und des Feuchtegehaltes vorgenommen werden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die zur Vermeidung eines weiteren Schimmelwachstums in der Krypta durchgeführten Raumklimaanpassungen keine sekundären Schädigungen in Form eines verstärkten Auskristallisierens der im Mauerwerk befindlichen Salze zur Folge hat.
Fachgebietsleitung Restaurierung Bau- und Kunstdenkmalpflege
Dienstsitz Esslingen
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