Von der Polle zur Vegetation

Quantitative Rekonstruktion von Vegetationsbedeckung auf der Basis von Pollendaten

Um die Intensität der Landnutzung abschätzen zu können, sollte bekannt sein, wie die Vegetationsbedeckung im fraglichen Zeitraum ausgesehen hat. Aber die Rekonstruktion von Vegetation aus Pollendaten ist sehr schwierig und ein Problem seit der Entstehung der Pollenanalyse als wissenschaftlicher Disziplin. Denn der Anteil der Pollen einer bestimmten Art in der Pollenprobe entspricht nicht ihrem Anteil an der Vegetation. Manche Arten, wie etwa die windbestäubten Bäume, produzieren große Mengen Pollen und sind infolgedessen in der Pollenüberlieferung überrepräsentiert. Andere Arten sind in der Vegetation zwar häufig anzutreffen, produzieren aber nur geringe Pollenmengen oder entlassen diese nicht in die Atmosphäre. Letzteres trifft z.B. für Weizen zu, der viel Pollen produziert, der aber kaum in die Atmosphäre gelangt, da Weizen selbstbestäubend ist. Um eine quantitative Vegetationsrekonstruktion zu ermöglichen, muss also das Verhältnis von Pollenanteil zu Vegetationsanteil von jedem Taxon bekannt sein und es muss ein Modell geben, das die Verteilungsmuster der einzelnen Pollentypen berücksichtigt.

 

Internationale Forschung

In den letzten Jahrzehnten haben sich internationale Forschergruppen dieser Problematik angenommen (Pollen Landscape Calibration Network, PolLandCal). Sie haben sowohl Schätzungen der Pollenproduktivität für verschiedene Arten erarbeitet, als auch Verbreitungsmodelle formuliert. Heute stehen die Ergebnisse zur Anwendung zur Verfügung. Ein erster Versuch einer Vegetationsrekonstruktion im Bodenseegebiet mit diesen Methoden erbrachte vielversprechende Ergebnisse.

Basis für eine Rekonstruktion der Wirtschaftsweise

Die Rekonstruktion von Vegetation ist derzeit nur in bestimmten 500 Jahres-Zeitfenstern möglich. Für die Rekonstruktion wurden Buchensee und Steißlinger See gewählt. Die dargestellten Zeitfenster entsprechen dem Übergang vom Mittelneolithikum zum Jungneolithikum (4700-4200 v. Chr.), einem jungneolithischen Zeitfenster vor der Einführung des Pfluges (4200-3700 v. Chr.) und einem eisenzeitlichen–römerzeitlichen Zeitfenster (200 v. Chr. - 300 n. Chr.) als Kontrast.

Die Gehölze wurden in Bäume und Sträucher unterteilt, aber es ist klar, dass Sträucher auch einen Teil des natürlichen Waldes bilden. Bei der gewählten Darstellungsweise wird aber der immense Zuwachs von Strauchvegetation vom ersten zum zweiten Zeitfenster deutlich. Es gibt dagegen keinen oder doch kaum einen Anstieg der Kräuter und Gräser, Getreide ist ebenfalls nicht sichtbar. In der Eisenzeit zeigt sich ein deutlicher Anstieg in der Offenlandvegetation - im Gegensatz zum Neolithikum gab es Grünland als Weide.

 

Änderungen in der Waldvegetation als Ausdruck menschlichen Wirtschaftens

Nicht nur der Waldanteil variierte durch die Zeiten, auch die Zusammensetzung des Waldes veränderte sich. Während im ältesten Zeitfenster die Ulme einen großen Anteil am Waldbestand hat, spielte sie im darauf folgenden Zeitfenster nur noch eine geringe Rolle. Der Rückgang der Ulme wurde durch Ausbreitung von Buche und auch Eiche kompensiert. In der Eisenzeit sah der Wald wiederum völlig anders aus. Er wurde hauptsächlich durch Eichen gebildet, die im Rahmen einer planmäßigen Waldwirtschaft gefördert wurden. Hinzu kommen Baumarten, die im Neolithikum keine Rolle gespielt haben, so etwa Kiefer, Fichte, Tanne und vor allem Hainbuche. Diese Bäume konnten sich erst im Laufe der Zeit in der durch Menschen gestörten Waldvegetation durchsetzen.

  • <
  • Weiter >