Denkmale

Die Erschließung des Albtraufs vor 2000 Jahren - Forschungen an einer antiken Hauptverkehrsader

Seit 2017 laufendes Projekt in Zusammenarbeit mit der Kreisarchäologie Göppingen und der Abteilung für Provinzialrömische Archäologie am Institut für Archäologische Wissenschaften der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Ziel ist die Erforschung der römerzeitlichen Verkehrswege zwischen Neckar und Donau.

Historisch-Topographische Grundlagen

Die Schichtstufe der Schwäbischen Alb trennt das fruchtbare Mittlere Neckarland im Nordwesten vom Donautal im Südosten. Während die beiden Flusstäler, ebenso wie die Albhochfläche selbst, leicht passierbare Ebenen darstellen, erweist sich der Steilabfall im Nordwesten der Alb auf einer Länge von knapp 200 km bis heute als Herausforderung für die Verkehrsführung.

 

Mit dem Ausgreifen Roms nach Südwestdeutschland ab der Mitte des 1. Jh. n.Chr. rückte auch der bis zu 1000 m hohe Gebirgszug der Schwäbische Alb in den Fokus der Reichsverwaltung. Durch die anfangs kaum besiedelte Landschaft wurden neue Verkehrswege sowie künstliche Grenzen gezogen. Hierbei orientierte man sich offenbar vor allem an den Erfordernissen des Militärs, bildete der Albtrauf doch anfangs die Außengrenze des römischen Territoriums, später die Binnengrenze zwischen den Nachbarprovinzen Raetien und Obergermanien. Mehrere noch im 1. Jh. angelegte Straßenzüge quer über die Schwäbische Alb verbanden die beiden Provinzhauptstädte Mainz (Mogontiacum) und Augsburg (Augusta Vindelicum). Nachfolgend verlief die kürzeste Verbindung offenbar durch das Filstal. Als Reichsstraße blieb diese Route bis zum Ende der Römerzeit von enormer wirtschaftlicher Bedeutung, diente in Krisenzeiten gleichzeitig aber auch der Verlegung von Truppen zwischen dem Nordwesten des Römischen Reiches und dem Donauraum.

Offene Fragen

Diesen vor allem deduktiv erschlossenen Erkenntnissen stehen äußerst fragmentarische archäologische Fakten gegenüber. Der Wissensstand zur Siedlungsgeschichte des 1. bis 3 Jh. n. Chr. weist gerade zwischen Rems, Fils und Albtrauf noch große Lücken auf. Vergleiche mit anderen Grenzprovinzen des Römischen Reiches deuten beispielsweise darauf hin, dass im Untersuchungsgebiet bislang unentdeckte Militäranlagen anzunehmen sind. Diese dürften (zumindest kurzzeitig) zu Ausbau und Schutz der Straßen angelegt worden sein. Das Projekt soll zunächst prüfen, ob sich solche Anlagen an bestimmten topographischen Besonderheiten erkennen lassen bzw. bekannte Fundstellen bislang nicht korrekt angesprochen wurden.

Auch die Straßenforschung bestätigt die historische Bedeutung des Verkehrsraumes bislang nicht. Gesicherte archäologische Belege für den Verlauf der antiken Fernstraße zwischen Bad Cannstatt und Heidenheim (Aquileia) fehlen im Kreis Göppingen vollständig. Gleiches gilt für die Albaufstiege im Oberen Filstal. Obwohl in einigen Fällen von mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Trassen auf römische Vorgänger geschlossen wird, ist dies bislang gänzlich unbewiesen. Auf Reiseverkehr spezialisierte Einrichtungen wie Raststationen konnten ebenfalls noch nicht sicher festgestellt werden. Gleichzeitig werfen seit Jahrzehnten eher zufällige Neuentdeckungen weitere Fragen auf.

Nicht nur der exakte Straßenverlauf vom Neckarknie auf die Alb bzw. weiter an die Donau, sondern auch Lage und Charakter der ehemaligen römischen Reichsgrenze in der Zeit zwischen ca. 85 bis 150 n.Chr. liegen derzeit im Dunkel. Hier gibt es ebenfalls ein Missverhältnis zwischen dem aktuellen Forschungsstand und der vermuteten, auch überregionalen Bedeutung.

 

Verkürzt lässt sich dies in den vier Kernfragen des Projekts zusammenfassen:

 

■ Welche Verkehrswege verbanden zwischen 100 und 300 n. Chr. Neckar und Donau?

■ Zeigen die dort bekannten Siedlungsplätze einen besonderen Bezug zum Straßensystem?

■ Lässt sich ein überregional bedeutender Verkehrsraum, wie er am Albtrauf anzunehmen ist, archäologisch überhaupt fassen?

■ Wo verliefen und wie datieren die römischen Grenzen: auf der Alb, durch das Lauter- oder durch das Filstal?

Vertiefende Erfassung römerzeitlicher Fundstellen im Kreis Göppingen

In Form einer regionalen Studie werden seit 2018 alle vorliegenden archivalische Quellen zur römischen Besiedlungsgeschichte zusammengetragen und neu analysiert. LAD und Kreisarchäologie Göppingen gleichen hierfür ihre Fachdaten ab, um alle vorliegenden Informationen zur römerzeitlichen Siedlungsgeschichte vertiefend zu erfassen. In weitgehender Ermangelung regulärer Ausgrabungen kommt dabei den zahlreichen „Lesefundstellen“ besondere Bedeutung zu. In einzelnen Verdachtsflächen erfolgen anschließend eine ergänzende Auswertung von LIDAR-Daten und Luftbildern sowie gezielte Geländebegehungen mit Hilfe Ehrenamtlicher Beauftragter und freiwilliger Helfer. Der zu erwartende wissenschaftliche Erkenntnisgewinn dient gleichzeitig dazu, die Denkmalliste zu vervollständigen.

 

Den Aufbau dieses Fachinventars begleiten Feldstudien an ausgewählten Siedlungsplätzen und den vermuteten antiken Straßentrassen. Anhand aktueller Funde soll dabei auch der Rolle des Pferdes als einem der Hauptträger der Mobilität in der Antike Aufmerksamkeit gelten:

Siedlungsplätze

Seit Frühjahr 2019 finden Feldstudien an ausgewählten Objekten statt, um zusätzliche Erkenntnisse zu deren Datierung und Funktion zu erhalten. In einer ersten Phase liegt das Augenmerk auf den im Untersuchungsgebiet bekannten bzw. vermuteten römischen Militäranlagen und deren unmittelbarem Umfeld. Konkret stehen zunächst die 1966 bzw. 1976 entdeckten, aber nur ansatzweise bekannten Kastellplätze Eislingen/Salach und Deggingen im Vordergrund. Beide Anlagen sowie Teile Ihres Umfeldes wurden geophysikalisch neu untersucht, wobei sich bereits erste Erkenntnisse zur möglichen Funktion der Plätze innerhalb der antiken Verkehrsführung am Albtrauf ergaben. Im Spätsommer 2019 folgen begrenzte archäologische Sondagen, die Aufschluss über die Nutzungszeit der beiden Anlagen liefern sollen.

Verkehrswege

Um Reise- und Warenverkehr zwischen Neckar und Donau ganzjährig und bei jeder Witterung aufrecht zu erhalten, mussten insbesondere die Albaufstiege ausgebaut und beständig unterhalten werden. Dort, wo die antik genutzten Trassen nicht durch nachfolgende Nutzung überformt und zerstört wurden, sollten sich daher entsprechende Zeugnisse mit archäologischen Methoden nachweisen lassen. Gleichzeitig müssten sich – sofern vorhanden – gerade an den Albaufstiegen auch spezialisierte Siedlungsformen nachweisen lassen, die einen reibungslosen Reiseverkehr gewährleisteten. Anzunehmen wären hier etwa Umspann- oder Raststationen. Mit Hilfe von Sondagen sowie gleichzeitig ausgedehnten Geländeprospektionen soll diesen Fragen an zwei mutmaßlich bereits in der Römerzeit genutzten Albaufstiegen nachgegangen werden. Einer der beiden, die Ditzenbacher Steige, überwindet rund 200 Höhenmeter zwischen Oberem Filstal und der Schonterhöhe. Das ‚obere Ende‘ der Trasse erreicht die Hochfläche an einer Stelle, die keine fünf Gehminuten südlich des Kleinkastells Deggingen liegt und deshalb mit diesem in Zusammenhang stehen dürfte. Neben der Sondage an dem Kastell soll daher im Rahmen eines Lehrgrabungs- und Surveyprojekts der Universität Freiburg, IAW, Abt. für Provinzialrömische Archäologie im Herbst 2019 die historische Steige begangen werden. Findet sich hier römisches Fundmaterial? Lassen sich im archäologischen Befund Befestigungen und Nutzungen der Trasse erkennen? Die Arbeit in diesem recht schwierigen Gelände will zudem auch Methoden für die Untersuchung weiterer Albaufstiege entwickeln und testen.

Grundlagen der Mobilität

Zahlreiche historische und archäologische Quellen bestätigen die wichtige Rolle des Pferdes als Reit- und Nutztier in römischer Zeit. Wesentliche Bereiche der Grenzsicherung sowie des Güter- und Reiseverkehrs in der Antike sind ohne Einsatz von Pferden bzw. Maultieren nicht denkbar. Art und Umfang von Pferdezucht und Pferdehaltung in den römischen Provinzen sind demgegenüber nur ansatzweise erforscht. Dabei erlauben insbesondere moderne naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden heute weitreichende Aussagen über Pferdezucht, -haltung und -einsatz. Ein Teilbereich des Projekts umfasst daher auch eine detaillierte archäozoologische Auswertung von Pferdeskeletten aus Altgrabungen.

Literatur

  • W. Lang (Hrsg.), Archäologischer Katalog des Landkreises Göppingen. Archäologische Fundstellen im Kreis Göppingen bearbeitet von Rainer Schreg (Göppingen 1996).
  • W. Lang: Kastell, Siedlung und Gräber – Römer auf der Schonterhöhe, Deggingen, Kreis Göppingen. In: W. Ziegler (Hrsg.) Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen 11, 2001.
  • D. Planck: Ein neues römisches Lager bei Eislingen, Lkr. Göppingen. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg. 1, 1974, S. 527–532.
  • D. Planck: Deggingen. Römisches Lager In: D. Planck (Hrsg.): Die Römer in Baden-Württemberg. S. 116-118. (Stuttgart, 2005).
  • W. Ziegler/K.-H. Rueß/A. Hegele, Die Fils. Fluss – Landschaft – Menschen. Veröff. Kreisarchiv Göppingen Band 16 (Göppingen 2011).

Ansprechpartner LAD

Thiel
Andreas

Gebietsreferent Archäologische Denkmalpflege

Landesamt für Denkmalpflege

Dienstsitz Esslingen

Referat: 84.2
Berliner Straße 12
73728 Esslingen am Neckar
84.2

Externe Ansprechpartner

Prof. Dr. Alexander Heising

Sarah Roth M.A.

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Institut für Archäologische Wissenschaften Abteilung für Provinzialrömische Archäologie

Glacisweg 7, 79085 Freiburg im Breisgau

 

Dr. Reinhard Rademacher

Landratsamt Göppingen

Kulturamt/Kreisarchäologie

Schloß Filseck, Göppingen

E-mail: r.rademacher(at)landkreis-goeppingen.de