Denkmale

Der Silexdolch aus der endneolithischen Pfahlbausiedlung Allensbach

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Infos zum 3D-Modell

  • Objekt: Silexdolch von Allensbach
  • Dreidimensionale Vermessung: Polygon Streifenlichtscanner
  • Geometrie des 3D-Modells:ca. 900.000 Dreiecke und ca. 500.000 Punkte
  • Downloadgröße des 3D-Modells: ca. 70 MB

Das Objekt

Der mitsamt seinem Holzgriff fast vollständig erhaltene, 16 cm lange Silexdolch von Allensbach am Bodensee ist ein außergewöhnliches Fundstück. Die Klinge besteht aus einem Feuerstein, der aus den venetischen Voralpen kommt. Ähnlich geformte Feuersteindolche sind von zahlreichen Fundstellen in Oberitalien bekannt. Bei dem Allensbacher Dolch handelt es sich um ein Importstück aus diesem Raum. Durch den Fundkontext in der Allensbacher Pfahlbausiedlung und dendrochronologische Daten kann er in das Endneolithikum, in die Zeit um 2900 v. Chr. datiert werden.

 

Südliche Klinge – nördlicher Griff?

Die Feuersteinklinge des Dolches ist beidseitig flächenretuschiert. Der etagenartige Absatz der randlichen Bearbeitung sowie die auf die Fläche der Klinge begrenzten Gebrauchsspuren (sogenannter „Sichelglanz“) weisen auf die mehrfache Umgestaltung und Nachschärfung des Dolches hin. Der Dolch war anfänglich länger und die Griffplatte, die in der hölzernen Schäftung verschwindet, dürfte ursprünglich noch prägnanter ausgeprägt gewesen sein. Parallelen in der Formgebung des Allensbacher Dolches gibt es von Fundstellen in der Poebene, vor allem von dem Gräberfeld Remedello in der Provinz Brescia, wo zahlreiche Griffzungendolche sowohl aus Silex als auch aus Kupfer gefunden wurden.

 

Dazu passt auch das Rohmaterial der Dolchklinge. Es handelt sich um eine graublaue Feuersteinvariante von hoher Qualität, deren Herkunft durch mikroskopische Untersuchungen näher bestimmt werden kann. Ihr Gehalt an Mikrofossilien ähnelt den Feuersteinen um den Monte Baldo am Gardasee in hohem Maße.

 

Der Griff des Allensbacher Dolches ist aus Holunderholz gefertigt. Das Stück wurde halbiert und einseitig ausgehöhlt, so dass eine tüllenartige Schäftung entstand. Mit bräunlich schwarzem Birkenteer wurde die Klinge in der „Tülle“ befestigt und anschließend mit einer Bindung umschnürt. Das Faserartige Bindungsmaterial ist nicht mehr erhalten, hinterließ aber Abdrücke im Teer.

Im Vergleich zu den „Remedellodolchen“ besitzt der Allensbacher Dolch einen auffällig einfachen Griff. Während die italienschen Exemplare einen halbmondförmigen Knauf aufweisen, hat der Griff des Allensbacher Dolches einen geraden Abschluss ohne Knauf. Gebrauchsspuren und Beschädigungen an der Klinge des Dolches von Allensbach geben hier weiteren Aufschluss. Risse in der Klinge und ein großer Bruch am Schaftende zeigen Beschädigungen des Dolches an, die zu verschiedenen Zeiten seiner Benutzung auftraten. Reste von Teer im basalen Ausbruch belegen, dass die Klinge auch nach ihrer letzten Beschädigung neu geschäftet worden ist. Möglicherweise bekam der Allensbacher Dolch – ursprünglich vielleicht ein klassischer Remedellodolch – dann erst nördlich der Alpen einen neuen, einfacher gestalteten Griff.

Der Fundkontext: Die Pfahlbausiedlung von Allensbach

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die jungsteinzeitliche Pfahlbausiedlung von Allensbach im Kreis Konstanz entdeckt. Mit verschiedenen Pfahlfeldern und mehreren Kulturschichten zählt die Fundstelle zu den größten prähistorischen Siedlungsarealen am Bodenseeufer. Sie umfasst Siedlungen verschiedener Abschnitte des Jung- und Endneolithikums. Der Dolch lag in einer Siedlung der sogenannten Horgener Kultur (Besiedlungsphase AsC1), für die dendrochronologische Datierungen zwischen 2914 und 2897 v.Chr. vorliegen.

 

Neben Siedlungsresten aus Holz konnten bei Ausgrabungen zwischen 2002 und 2003 aus einer Kulturschicht zahlreiche archäologische Funde geborgen werden. Dazu zählen grobe Keramik, Schmuckperlen, zahlreiche Feuersteingeräte sowie Werkzeuge aus Felsgestein, Holz, Knochen und Geweih. Häufig kommen Hirschgeweih-Zapfenfassungen zur Schäftung von Steinbeilen vor. Neben dem Feuersteindolch kamen in Allensbach noch andere herausragende Funde zum Vorschein. Untersuchungen in einer älteren, um 3100 v.Chr. zu datierenden Siedlung der Horgener Kultur (Besiedlungsphase AsB1) brachten 1986 einen vollständig erhaltene Schuh in der Art eines ledernen Bundschuhs zum Vorschein und bereits 1984 fand sich ein weiterer, in anderer Art geflochtener Schuh in einer Schicht (Besiedlungsphase AsC2), für die Dendrodaten zwischen 2842 und 2821 v.Chr. vorliegen. Große Bereiche der Pfahlbausiedlungen von Allensbach liegen noch unausgegraben unter dem Camping- und Strandbadgelände und stellen eine bedeutende Forschungsreserve dar. Seit 2011 gehört das Siedlungsareal Allensbach-Strandbad zum UNESCO-Welterbe „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“.

 

Ein Straßendorf

Die Siedlung, in der man den Silexdolch fand, enthielt im ausgegrabenen Bereich fast 700 Pfähle und über 80 Pfostenstandspuren. Mit Hilfe dendrochronologischer Untersuchungen, die zeitgleich geschlagene und verbaute Hölzer erkennen lassen, kann die Lage von Häusern und eine Kommunikationsachse gut erkannt werden. Die Gebäude standen beiderseits einer Dorfstrasse aufgereiht, die etwa senkrecht zum Seeufer ausgerichtet war. Dieses endneolithische Siedlungsschema eines Strassendorfes ist auch in anderen Ufersiedlungen des Bodensees und des Federsees nachgewiesen. Landwärts sind verschiedene Palisadenzüge ausgegraben worden, die sich allerdings nicht gut datieren lassen. Da die Palisaden an einigen Stellen durch das Siedlungsareal und im nördlichen Bereich sogar durch einen Hausgrundriss verlaufen, deutet sich eine Mehrphasigkeit der Siedlungstätigkeit an. Die liegenden Hölzer zeigen hingegen keine Siedlungsstrukturen an. Es handelt sich sehr wahrscheinlich um angeschwemmte und im Bereich der Palisaden abgelagerte Hölzer.

 

Fundspektrum zeigt Beziehungen in den Alpenraum

Neben dem Silexdolch zeigen noch weitere Funde, dass die Siedler von Allensbach Kontakte in den Alpenraum hatten. Im Fundmaterial finden sich zahlreiche Beilklingen, die aus dem halbedelsteinartigen „Edelserpentin“ hergestellt sind. Dieses Material kommt im Alpenvorland nicht vor und muss aus zentralalpinen Lagerstätten importiert worden sein. Überregionale Beziehungen über die Alpen sind darüber hinaus durch zahlreiche Funde von Kernen der Kornelkirsche belegt. Bekannt ist das zahlreiche Vorkommen dieses Wildobstes in Pfahlbausiedlungen Norditaliens. Möglicherweise waren sie als Trockenfrüchte Reiseproviant bei dem Weg über die Alpen und gelangten so nach Allensbach. Schließlich sind noch Schmuckperlen als weiteres Indiz für Fernbeziehungen zu nennen. Diese sind aus dem Gehäuse des Meerestieres Dentalium gefertigt und kommen vermutlich vom Mittelmeer.

 

Wo kann man den Dolch besichtigen?

Funde aus den Pfahlbausiedlungen von Allensbach sind im Heimatmuseum Allensbach ausgestellt. Der berühmte Silexdolch wird auf der Großen Landesausstellung Baden-Württemberg zum Thema „4000 Jahre Pfahlbauten“ 2016 in Bad Schussenried/Bad Buchau ausgestellt und danach in der neuen Dauerausstellung des Archäologischen Landesmuseums Konstanz zu sehen sein.

Landesausstellung „4000 Jahre Pfahlbauten“

Archäologischen Landesmuseums in Konstanz

Weiterführende Literatur

  • J. Fischer 2006, Die Seeufersiedlungen der Horgener Kultur im Strandbad von Allensbach, Kreis Konstanz. Funde und Befunde aus den Grabungen und Sondagen 1983-1988. Hemmenhofener Skripte 6 (Freiburg i. Br.).
  • M. Mayer/ H. Schlichtherle 2004, Ein geschäfteter Feuersteindolch aus der jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlung Allensbach-Strandbad. Allensbacher Almanach 54, 2004, 9-16.
  • A. Müller / H. Schlichtherle 2004, Rettungsgrabung in der endneolithischen Pfahlbausiedlung Allensbach-Strandbad, Kreis Konstanz. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2003, 38–43.
  • A. Feldtkeller/ H. Schlichtherle 1987, Jungsteinzeitliche Kleidungsstücke aus Ufersiedlungen des Bodensees. Archäologische Nachrichten aus Baden 38/39, 1987, 74-84.
  • H. Schlichtherle 2003, Remedellodolch in fremdem Griff? Ein geschäfteter Feuersteindolch aus der endneolithischen Ufersiedlung Allensbach-Strandbad am Untersee/Bodensee. Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchäologie 10, 2003, 77–85.
  • H. Schlichtherle 2005, Jungsteinzeitliche Dolche aus den Pfahlbauten des Bodenseeraumes. Plattform 13/14, 2004/05, 61-86.

 

Weitere Informationen

Pfahlbauten-Informationszentrum